Wenn Amazon nicht mehr reicht - Ein Tag im Bundesarchiv

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Viele Wargamer bewegen sich mit Ihrem Hobby schwerpunktmäßig im Zweiten Weltkrieg, manche in den napoleonische Kriegen. Diverse Schauplätze, aber auch im speziellen diese, wurden schon zigfach medial aufbereitet und sind gut dokumentiert. Sei es in Spielen, Filmen oder auch in Büchern. 

Und wer nach diesen Büchern sucht, findet in der Regel reichlich und kann auf seinen Lieferdienst des Vertrauens zählen. Wer will, und es zahlen kann, dem werden jede Tag Bücher ins Haus geliefert. Selbst zu den obskuren Aspekten dieser Konflikte wird wohl jemand schon Tinte zu Papier gebracht haben.

Es verhält sich etwas anders für jene, die sich den Kalten Krieg als Ihre Spielwiese auserkoren haben. Wir wenige da draußen haben es ohnehin schon schwer unsere Faszination zu begründen: Warum einen Konflikt spielen, der nie stattgefunden hat? Wer jetzt auch noch gute Quellen dieser Ära sucht, wird auf Amazon recht entäuscht sein oder zumindest sehr schnell alle relevanten Bücher kennen. 

"Was tun?" dachte ich mir.

Wenn es eben keine Bücher zu kaufen gibt, dann begib dich eben dort hin, wo die ungeschriebenen Bücher darauf warten entdeckt zu werden: Das Bundesarchiv - Militärarchiv (BAMA) in Freiburg. 

Die ersten Schritte

Noch lange bevor Corona sein Entrée hatte begann ich damit, den Online-Katalog des BAMA zu sichten. Spätestens hier tun sich dann weitere Unterschriede zwischen Amazon und anderen Vertretern des Silicon Valley auf: Die Suchmaschine Invenio ist sicherlich alles andere als komfortabel. Google Suchoperatoren werden hier vermisst, Treffer sind uneindeutig und die "Tektonik" (eine organigrammartige aufgliederung der Treffer und Fundstellen) doch sehr umständlich, wenn nicht einfach nur sehr ungewohnt. Ich musste hier schnell lernen, dass es weniger um die Titel der Archivalien geht, vielmehr um die "Fundstellen", also die Dienststellen mit denen die Dokumente assoziiert sind, die ich sehen wollte. 

 

 

Wer sich nun erfolgreich durch die Gliederung gewälzt hat und die ersten "Signaturen", wie es im Fachjargon heißt, auf seinen Merkzettel verfrachtet hat, der muss sich nun im nächsten Schritt Gedanken darüber machen wie er diese denn nun einsehen kann. Denn die Masse der Titel sind schlicht nicht digitalisiert. Hier mag es zwar Unterschiede zwischen bestimmten Episoden der Geschichte geben, doch auch hier gilt: Der Kalte Krieg wurde bislang sehr stiefmütterlich behandelt.  Für viele Archivalien heißt es also: Ab in das Beförderungsmittel der seiner Wahl und nach Freiburg, bzw. Berlin für Dokumente der Wehrmacht und Waffen-SS.  

Übrigens: Wartezeiten im Archiv in Freiburg belaufen sich schnell mal auf einige Monate. Mit heutigen Stand (Juni 2021) werden Termine für Q2 2022 vergeben.

Technische Umsetzung des ersten Besuchs

Nun hatte ich das Glück, einen Kunden zu gewinnen, der in unmittelbarer Nähe zum Archiv ansässig ist. Gleichzeitig werden gerade viele Termine im BAMA  corona-bedingt abgesagt, sodass es recht einfach war einen Platz über die Warteliste zu bekommen. Wer also nach Freiburg darf/kann, weil er bspw. einen geschäftlichen Grund zur Reise hat, könnte sogar die Coronaphase zu seinem Gunsten nutzen.

Mit dem kurzfristig bestätigten Termin wusste ich auch, dass ich mir Gedanken dazu machen musste wie ich nun große Mengen an Dokumente scannen würde. Ich wollte diese Dokumente nachschlagen können und somit war klar, dass ich sie nicht vor Ort konsumieren konnte. Ich würde nicht einmal etwas lesen können: Die Absicht war, alles erdenklich mögliche zu Scannen und mitzunehmen und dann zuhause zu verarbeiten.

Hierfür standen mir im wesentlichen drei Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Den Scandienst des BAMA nutzen
  • Mit einer App fürs Handy scannen
  • Mit einem tragbaren Dokumentenscanner 

Der in-house Scan Service viel recht schnell aus der Rechnung heraus. Hier wird jede Seite in Rechnung gestellt und somit lohnt sich das Geschäft bei größeren Mengen eigentlich nur für eine Partei. Ausnahmen habe ich bei Großformaten gemacht. Da hier das Handy (dazu gleich mehr) an seine Grenzen kommt, macht es Sinn wichtige Karten abzugeben. Bis zu einer Dateigröße von 5GB ist dies gratis, darüber werden 8,50€ für einen USB-Stick verlangt, der einem dann nach Hause geschickt wird. 

Die nächste Überlegung ist dann der tragbare Dokumentenscanner, wie dieser hier. Ich muss gestehen, dass ich die Idee zu anfangs sehr reizvoll fand, die ersten Tests hat der Dokumentenscanner aber nicht überstanden. Grundsätzliche Problematik waren die unüblichen Formate von Dienstvorschriften auf die ich es abgesehen habe. Hier musste mit einer Hand gescannt werden, während mit der anderen der Plastikeinschlag offengehalten wurde. Leider hat der Scanner zu oft die Lücke am Einband zum Anlass genommen, den Scanvorgang abzubrechen. Die Qualität ließ darüber hinaus auch zu wünschen übrig und es gab keine sinnvolle Vorschau des Scans. Man erkannte erst beim Einlesen der Seiten am PC, dass man den Stab zu schnell oder zu langsam bewegt hat. Allenfalls eignet sich der Scanner also nur für vereinzelte Scans von Standardformaten, wie DIN A 4.

Damit sind wir bei den Handy Apps angekommen und auch hier wurde ich überrascht: Hiermit hatte ich meine (relativ) komfortable Lösung. Ich entschied mich am Ende für die "Simple Scan" App, welche das Finale gegen die Adobe Reader Scan App bestanden hat. Ausschlaggebender Vorteil war der etwas bessere Winkelausgleich, welcher es mir erlauben würde auch noch Scans zu retten die ich im Eifer des Gefechts doch mal etwas schnell gemacht habe. Für 5€ konnte hier auch in der kostenpflichtigen Version ein "Batch Scan" Modus dazugekauft werden, den die Adobe App dafür schon von haus aus hat. Nichtsdestotrotz: Den Tennisarm nach längeren Scanvorgängen merkt man natürlich trotzdem. 

Der Besuch

Um das Ende vorwegzunehmen: Ich kann jedem, der die Gelegenheit dazu haben sollte, nur empfehlen das BAMA zu besuchen. Alle Mitarbeiter sind äußerst freundlich, immer ansprechbar und hilfsbereit. Der Besuchersaal selbst war überraschend unaufgeregt und schlicht: Arbeitsplätze für ca. 20 Personen mit ausreichend Steckdosen für jeden. WLAN ist vorhanden. 

Nachdem man den Eingang zum Besuchersaal passiert hat, kommt man erst einmal an der Anmeldung vorbei. Hier werden für jedem Fächer bereitgehalten, in denen die bestellten Sachakten schon auf einen warten. In meinem Fall waren es dann gleich zwei volle Fächer.

Für den ersten Besuch habe ich mich konkret auf Dienstvorschriften konzentriert, also hauptsächlich Akten die schon freigegben waren. Daneben bestellte ich mir einige GDP-Befehle um ein allgemeines Gefühl dafür zu bekommen, wie diese Akten aussehen würden, wenn ich in Zukunft stärker in diese Richtung forschen würde. 

Über die Ergebnisse würde ich gerne in Zukunft an anderer Stelle genauer berichten. Ich möchte aber hinzufügen, dass ich diesen Freitag gescannt habe wie ein Weltmeister. Ich habe nichts getrunken, keine Pause gemacht, war nicht auf Klo, habe nichts gegessen. Ich habe nicht einmal genauer gelesen, was ich da scanne. Ich wollte so viele dieser Dokumente für spätere Nutzung nach Hause bringen wie möglich und das war es mir sicherlich wert.

Pro Tipps

  • Wer Karten im übergroßen Format auseinanderfaltet, merkt sich besser sehr genau wie dieser wieder zusammengefaltet werden.
  • Manches Papier ist altersbedingt sehr filigran, manchmal sogar "backpapierartig".  Man merke: Reißendes Papier im Benutzersaal ist das lauteste Geräusch der Welt.
  • Wir durchstöbern häufig obskure Akten, in denen bürokratische Vorgänge vermerkt wurde. Nicht jede Akte ist der große Fund und vielerorts ließt man auch einfach nur über die Organisation einer Weihnachtsfeier von 1986.
  • Am Eingang des Benutzersaals sieht man Fächer mit den Namen der Besucher: Wer die Augen offen hält, hat vielleicht die Gelegenheit einen bekannten Autor kennenzulernen. 
  • Archivare sind eure besten Freunde. Sie können euch bei der Suche helfen und wissen, wo man was findet. Behandelt Sie wie erfahrenere Arbeitskollegen. 
  • Schmiert euch ein Brot, das gastronomische Angebot ist nicht sehr ausgeprägt und bedarf eines weiten Fußweges. Diese Zeit wollt Ihr nicht verlieren. 

Abschließende Gedanken

Zu Beginn der Planung scheint ein Aufenthalt im BAMA sehr aufwendig zu sein, insbesondere für Menschen die nicht in der Nähe leben. Ich kann aber nur dazu ermutigen, den Schritt zu wagen. Dinge zu lesen, ohne dass sie einem von jemand anderen vorgekaut werden, ist besonders befriedigend. Und am Ende des Tages, ist das BAMA eigentlich auch nur eine  Bibliothek, auch wenn sie vielleicht etwas speziell ist.

 

 

 

 

 

 

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